Sie ist noch gar nicht in Betrieb, da sorgt die neue Stubbener Brücke schon für helle Aufregung. Wer künftig mit dem Rollstuhl am Bahnhof das Gleis wechseln möchte, muss einen Kilometer weit fahren. Einen Aufzug soll sie nämlich nicht bekommen. Zu teuer, sagt die Bahn. Bürgerverein, Fahrgastverband und Gemeindepolitiker protestieren. Die Hoffnung, etwas zu erreichen, ist gering - obwohl sich jetzt die Landespolitik eingeschaltet hat.
Wer steht schon gerne mehrmals am Tag vor einer verschlossenen Schranke? Die Stubbener und Bokeler Autofahrer nicht. Heilfroh war man in den beiden Orten als die Bahn ankündigte, den Übergang mit Schranke durch eine neue, schicke Brücke zu ersetzen. Keine Wartezeiten. Kein Stau. Alles prima. Doch für Bahnreisende wird das neue Bauwerk zur echten Prüfung. Wer künftig am Stubbener Bahnhof das Gleis wechseln möchte und nicht in der Lage ist, eine Treppe an der Brückenseite hochzusteigen, der muss außen rum. Auf die Hauptstraße, die Brücke hoch, sechs Prozent Steigung inklusive. Ursprünglich sollte es Aufzüge geben. Doch die seien mit etwa 100.000 Euro zu teuer, sagt die Bahn. Schwer zu vermitteln, bei einem Investitionsvolumen von sechs Millionen Euro.
Der Bürgerverein Bokel schlug Alarm, schrieb Briefe an die Verantwortlichen, die Planung solle noch einmal überdacht werden. Das war vor Wochen. Niemand reagierte. Die NORDSEE-ZEITUNG berichtete darüber. Nach dem Bericht sind jetzt die ersten Rückmeldungen eingetroffen. Aus Hannover etwa, von Staatssekretärin Daniela Behrens (SPD), selbst Bokelerin. Sie habe ihr Fachreferat gebeten, "einen Erörterungstermin mit allen am Projekt Beteiligten zu koordinieren". Alle "möglichen Varianten zur Verbesserung der Erreichbarkeit der Bahnsteige und die dazugehörige Finanzierung" sollen dann besprochen werden, so Bürgermeister Ulf Voigts (parteilos).
Am Ende geht es darum, wer die Aufzüge bezahlen soll. Und das wird wohl die Gemeinde sein, fürchtet SPD-Finanzexperte Harald Michaelis. "Weil wir von dritter Seite nicht das bekommen werden, was wir brauchen." Mit dem Brückenbau habe man letztlich das Angebot für die Bahnfahrer nicht verbessert. "Das ist uns allen erst jetzt so richtig bewusst geworden", räumt er ein. Dass der Aufzugbau am Ende an der klammen Gemeinde hängen bleiben könnte, macht ihn traurig.
Harsche Kritik setzt es auch vom Fahrgastbeirat im Verkehrsverbund Niedersachsen/Bremen. "Der Fall Stubben gehört in die Kategorie des realen Irrsinns", sagt Ingo Ostermann. Dass Rollstuhlfahrer, Reisende mit Gepäck oder Eltern mit Kinderwagen einen Kilometer zum anderen Gleis laufen müssten, sei "im Prinzip so als wenn man Ihnen die Haustür zumauert und Ihnen sagt, sie müssten durch die Kellertür auf die Straße gehen." Die Schwerpunkte bei der Planung seien "vollkommen falsch gesetzt".
Sechs Millionen Euro ausgegeben und dann müssen Rollstuhlfahrer, die mit der Bahn reisen, einen Kilometer über die Straße fahren, um das Gleis zu wechseln? Wer plant denn bitte so was?
Ein Rollstuhlfahrer wird sich das wohl kaum hat einfallen lassen. Die Brücke in Stubben braucht Aufzüge. Und bezahlen sollte sie gefälligst die Bahn - und nicht die klamme Gemeinde, die sich gerade mit Mühe gesund spart. Die Bahn profitiert nämlich am meisten von der neuen Brücke: Weil bald niemand mehr die Gleise quert, können Güterzüge in noch kürzeren Abständen hintereinanderfahren.